Ausland
Das Zischeln der Karibik
Hans Werner Henze in Havanna
von Miguel Barnet
Erschienen in: Theater der Zeit: Nüchterner Rausch – Der Schauspieler Steven Scharf (04/2013)
Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Himmel – wie es ein antiker Dichter ausdrückte – das Schönste auf Erden ist. Seinem Zauber zu verfallen ist nicht schwer. Und genau das widerfuhr mir 1969, als ich eines Morgens beim Überqueren des Malecón in die Betrachtung der eigenwilligen Wolkenformationen versank und ein Motorrad mir die Knöchel brach, was mich zwang, drei Monate mit einem Gips am linken Bein zu leben. In diesen Tagen hatte sich bereits der Besuch von zwei berühmten Deutschen angekündigt, aus der umstrittenen Bundesrepublik Deutschland, abgeschirmt durch eine Mauer, die zwanzig Jahre später fallen sollte.
Ich empfing die beiden Deutschen bei mir zu Hause im Vedado, in der 10. Straße, mit diesem verfluchten Gips, jedoch großer Lust, beide persönlich kennenzulernen. Hans Magnus Enzensberger und Hans Werner Henze waren gekommen, um das Geheimnis der Karibik zu ergründen und sich in die bereits stürmischen und turbulenten Wasser der Tropen zu stürzen. Der Dichter Enzensberger war seit geraumer Zeit der bekannteste deutsche Poet und Schriftsteller, und Henze, als Nachfolger Stockhausens in Köln, galt schon seit einer Weile als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten der Avantgarde des 20. Jahrhunderts.
Und was brachte diese beiden Schwergewichte in die bescheidene Kammer eines kubanischen Schriftstellers,...