Mir kam es immer so vor, als hätten seine Räume eine eigene Biografie
Erschienen in: Alles Katastrophe! – Bühnen – Martin Zehetgruber (06/2023)
Martin Zehetgrubers Räume sind wirklich Räume. Begehbar, erfahrbar. Es mag überraschen, dass ich das erwähne, aber es gibt tatsächlich sehr viele Bühnenbilder, in denen ich schon gestanden habe, die keine Tiefe haben, die einem als Schauspieler nichts geben. Seine hingegen haben immer eine Tiefe – im wörtlichen und übertragenen Sinn. Sie sind eine Aufforderung. Ich muss mit ihnen umgehen, kann sie nicht ignorieren. Auch die Regisseur:innen müssen sich zu ihnen verhalten. Er wirft uns einfach etwas hin und schaut, was wir damit machen – dieses Etwas ist entschieden, es ist stark, immer wohldurchdacht und aus der zu erzählenden Geschichte abgeleitet. Seine Arbeit gleicht einer Übersetzungsarbeit des Textes ins Räumliche, ins Mehrdimensionale. Dadurch hat man das Gefühl, dass man sich in dem Text bewegen kann. Man kann ihn physisch erleben und entdecken.
Zehetgrubers Räume – ich spreche bewusst von Räumen und nicht von Bühnenbildern formulieren sich eben nicht nur inhaltlich, sondern ermöglichen eine sinnliche Erfahrung. Sie strömen Energie aus, haben Spannung. Zehetgruber achtet sehr darauf. Er zirkelt alles auf das Genaueste aus, damit diese Spannungen tatsächlich entstehen. Das ist zum Teil Millimeterarbeit. Und: Seine Räume sind offen, sie formulieren geradezu eine Offenheit. Sie lassen die Möglichkeit zu, etwas über Distanz zu...