Willkommen in der Modelleisenbahnromantik. Eine Videoeinspielung zeigt das fiktive Bad Mersdorf, hügelig, fachwerkbehaust, mit Mineralwasserfabrik. Später singt eine Mädchenband: „Wir hassen unsre Eltern! Scheiß auf Selters! Korn, Bier, Weltall!“ – Selters, dieses fade, kohlensäureversetzte und in Wahrheit wenig prickelnde Zeug, ursprünglich und rein, blabla, das bringt die elterliche Welt auf den Punkt und damit das, was man schnellstmöglich hinter sich lassen will.
Zumindest Korn und Bier sind zum Greifen nah, denn man steht an der Schwelle: Die Schule wird bald Geschichte sein, es sind Sommerferien, nicht mehr viele werden folgen. Die schier endlos vor einem liegende Zeit der vielversprechenden Freiheit, in der nichts passiert und sich trotzdem alles ändert, Pommes im Freibad, Fahrradtouren, laue Nächte, vielleicht eine erste oder zweite Liebe. Das Autorenduo Nolte Decar kondensiert in seinem Stück „Das Tierreich“ (siehe Stückabdruck in TdZ 10/2014), modellhaft wie das Anfangsbild, dieses ganz bestimmte Lebensgefühl zwischen Orientierungslosigkeit und Aufbruchstimmung, zwischen Selbstzweifel und Allmachtsphantasien, zwischen dem Ich und der Welt.
Das ist nämlich auch die Zeit, in der man die Schlechtigkeit der Welt wahrzunehmen beginnt, in der man die Gesellschaft befragt und sich mitunter in ihr positioniert. Im „Tierreich“ stürzt die Realität buchstäblich vom Himmel: ein Leopard-2-Kampfpanzer kracht in die Hindenburg-Schule, über...