Spießig und provinziell sind immer nur die anderen
Tourneetheater als größte Bühne Deutschlands
von Dirk Schröter
Erschienen in: Recherchen 146: Theater in der Provinz – Künstlerische Vielfalt und kulturelle Teilhabe als Programm (05/2019)
Das größte Theater in Deutschland steht nicht in Hamburg, München oder in Berlin. Es hat nicht einmal ein eigenes Haus, geschweige denn kennt man seinen Namen. Es ist – um mit Thomas Bernhard zu sprechen – naturgemäß: ort-los. Dabei ist es jeden Abend auf vielen Bühnen gleichzeitig zuhause: das Tourneetheater. Während man bei großen Bühnen sofort ans Deutsche Theater oder das Berliner Ensemble denkt, an die Volksbühne, das Schillertheater; ans Thalia, das Schauspielhaus in Hamburg, den Pfauen oder gar an die Burg, kennen weit weniger Menschen Namen wie Landgraf, Kempf, Nordtour, a.gon, Thespiskarren usw. Selten erscheinen sie auf dem Plakat: Die Produktion steht im Vordergrund, nicht der Produzent. Falsche Bescheidenheit, möchte man meinen.
Die deutschsprachigen Tourneetheater arbeiten grenzüberschreitend. Sie bilden zusammengenommen das größte deutschsprachige Theater überhaupt. Es bedient – in seiner außergewöhnlichen Vielseitigkeit – nicht das Schauspiel allein: Tanz-, Performance-, und Crossover-Produktionen; Opern, Operetten und Musicals gehören ebenso zum reichhaltigen Angebot. Es ist ein Viel-Sparten-Haus auf Rädern. Eine einzigartige Institution in unserer vielschichtigen Kulturlandschaft. Ein vollgepackter Wanderzirkus, der – wie Spötter meinen – diesen Namen verdiente. Tatsächlich müssen diejenigen, die hier einsteigen und mitfahren wollen, viele Begabungen im Gepäck haben. Vielseitigkeit und Universalität hinter wie auf der Bühne sind ebenso...