Freiräume für Kooperationen
Aufbruchsstimmung im Theater der Provinz
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 146: Theater in der Provinz – Künstlerische Vielfalt und kulturelle Teilhabe als Programm (05/2019)
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Das Landestheater Tübingen ist sich seines Auftrags, in die tiefe Provinz hineinzuwirken, durchaus bewusst und gründete mit dem Theater Lindenhof in Melchingen die Theaterwerkstatt Schwäbische Alb. 2017 beauftragte es mithilfe von Geldern des Programms der Bundeskulturstiftung TRAFO (Modelle für Kultur im Wandel) Micha Kranixfeld, Susanne Schuster und Felix Worpenberg mit der künstlerischen Raumforschung Im Verschwinden erscheint es.2 Gemeinsam mit den Bewohner*innen des Dorfs Engstingen befragten die drei Künstler den Strukturwandel im ländlichen Raum. Sie führten Gespräche, recherchierten und sammelten Gegenstände der Bevölkerung vor Ort, die für die nächsten 25 Jahre in einer Schatzkiste, der Zeitkapsel, im Kirchturm verschlossen sind und erst 2042 der Bevölkerung wieder präsentiert werden. Wer das Projekt in den sozialen Medien verfolgte, konnte sich diverser performativer Szenen erfreuen, welche die ländliche Landschaft meist in ein anderes Licht verrückten. Die Aktion kulminierte – so lässt es zumindest die Außenperspektive vermuten – des Öfteren in einem Event zwischen Dorffest und Kunstereignis. Ein Spannungsfeld, das derlei Aktionen insbesondere in der Provinz einen gewissen Reiz verleiht: Es spricht sich wohl schnell herum, dass diese jungen Künstler*innen vom Theater der dreißig Kilometer entfernten Stadt Tübingen engagiert sind, sie wirken vielleicht – im künstlerischen Sinne – exotisch, doch aufgrund ihrer...