Das Carouge, das Netz und das Vidy
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Das Netz beziehungsweise die Vernetzung spielt in der Theaterwelt der Romandie eine zentrale und immer grösser werdende Rolle. Auch das TPR ist zentraler Bestandteil dieses Netzwerks, es ist ein Partner eines Netzes, durch das sich das Theater hier auf hohem Niveau selbst am Leben erhalten kann. Selten zeigt sich die Schweiz als Gesinnungs- und Solidargemeinschaft deutlicher, selten sind die Vorteile klarer als im Westschweizer Theatersystem, das dadurch inzwischen auch für die Ostschweiz Vorbildcharakter bekommen hat.
Jean Liermier, der das Théâtre de Carouge-Atelier de Genève, wie das Carouge korrekt immer noch heisst, nun im zwölften Jahr leitet, ist der dienstälteste unter den amtierenden Genfer Theaterdirektoren. Als er 2008 anfing, sagt er, machten alle zeitgenössisches Drama. Er entschied sich dagegen für klassische Texte, damals beinahe ein Alleinstellungsmerkmal. So ist es bis heute geblieben. Das Carouge hat damit grossen Erfolg. Der Saal hat 545 Plätze, das Haus zwanzig feste Mitarbeiter und Subventionen in Höhe von knapp vier Millionen Franken. Jede Produktion arbeitet, wie überall und immer in der Romandie, mit einem neu zusammengestellten künstlerischen Team. Diese Produktionen aber bieten dann Kontinuität, sie haben bis zu 50 Vorstellungen im Haus, bevor sie auf Tournee gehen. Das Haus ist hochfunktional, profitierte lange vom Niedergang der...