Traditionen auf dem Prüfstand
Veranstalter und Anbieter im Gastspieltheater
von Silvia Stolz
Erschienen in: Recherchen 146: Theater in der Provinz – Künstlerische Vielfalt und kulturelle Teilhabe als Programm (05/2019)
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Es kriselt. In der Gesellschaft. In der deutschen Theaterlandschaft nahezu immer. Die Parteien der Mitte verlieren ihre Mehrheiten, die AfD zieht in sämtliche Parlamente ein, der Populismus durchdringt inzwischen weite Teile der Bevölkerung und Politik. Dann ist die Rede von den „Abgehängten“ und wenn von ihnen die Rede ist, dann schwingt immer ein Thema mit: gleiche Lebensbedingungen. Im Vereinigungsvertrag von 1990 hat sich die Bundesrepublik Deutschland zum Ziel gesetzt, gleiche Lebensbedingungen für jedermann flächendeckend herzustellen. Das Ziel gilt als verfehlt und die prognostizierte Entwicklung der Bevölkerung macht klar, dass es sich nicht verwirklichen lassen wird.
Nun muss man unterscheiden: Fühlen sich die „Abgehängten“ nur subjektiv vernachlässigt oder gibt es eine objektiv messbare Ungleichheit? Was kulturelle Teilhabe auf Ebene der Theater betrifft, so ist die Ungleichheit signifikant, eklatant. Dieses Land verfügt über eine reiche, sogar die dichteste Theaterlandschaft der Welt, die der Deutsche Bühnenverein durch die UNESCO zum Kulturerbe erheben lassen will. Freilich geht es dabei nicht nur um Theater als spezielle Kunstform, sondern um die Erhaltung der Anzahl der öffentlichen Institutionen im Land (mit Ensemble und Repertoire). Kulturpolitisch wird im demokratischen Sinn um eben diese gleichen Lebensbedingungen zu streiten sein. Kulturelle Teilhabe auf theatraler Ebene würde bedeuten, dass jedem...