Das Gespräch fand Ende November 2017 statt, eine Woche vor der Premiere der Romanadaption von Victor Hugos »Les Misérables« am Berliner Ensemble am 1. Dezember. Frank Castorf ist seit drei Monaten nicht mehr Intendant der Volksbühne. Sein Nachfolger hat erste Proben seines, nun ja, Könnens gezeigt. Die zweieinhalb Jahrzehnte der Castorf-Volksbühne sind jetzt wirklich: Geschichte. »John-Lennon-Nachlass 3,1 Millionen Euro wert« meldete die »BZ« in der U-Bahn auf der Fahrt des Reporters zum Interview.
Herr Castorf, haben Sie Phantomschmerzen, weil es die Volksbühne als dieses sehr besondere Theater nicht mehr gibt?
Ich gehe an dem Gebäude vorbei und bin über alles, was ich getan habe, sehr froh. Dass da kein Rad und kein »Ost« mehr stehen, ist richtig. Niemand kann das für sich beanspruchen, das ist ein Etikettenschwindel, den ich nicht zulasse. Das ist Partisanentum, verbrannte Erde, wie die Aufständischen in Spanien den napoleonischen Usurpatoren 1808 nichts überlassen haben. Sie haben damals im Prinzip den Gedanken des Guerillakampfes geboren, wie das Carl Schmitt beschreibt. Das Theater steht heute so traurig da, sehr viel trauriger als zu der Zeit, als ich es übernommen habe. Obwohl damals nur fünfzig Zuschauer im Parkett saßen, war es immerhin noch ein Theater. Ich habe, als wir...