Das Andere der anderen Szene
Schauspielausbildung und westdeutsche Fernsehdokumentation im Spannungsfeld Ost-West
von Anja Klöck
Erschienen in: Recherchen 91: Die andere Szene – Theaterarbeit und Theaterproben im Dokumentarfilm (07/2014)
Die knapp einstündige Fernsehdokumentation Es bildet ein Talent sich in der Stille wurde anlässlich des zehnjährigen Bestehens der West-Berliner Max-Reinhardt-Schule im Auftrag des Senders Freies Berlin gedreht und am 27. September 1961 von der ARD, dem damals noch einzigen Sender Westdeutschlands, erstausgestrahlt.1 Der Bericht über die Arbeit an dieser Schauspielschule beginnt indes mit Bildern, die so gar nichts mit dem Blick hinter die Kulissen und auf die „andere Szene“, und das meint hier: Schauspielschule und Schauspielausbildung, zu tun haben. Keine Fiktion eines Einblicks und eines in situ, sondern die Konstruktion eines öffentlichen Raumes anhand von kulturellen Symbolen (Denk- und Mahnmale) und Statussymbolen (Autos, Busse, Infrastruktur, Einkäufe, Neubauten). Und doch sprechen gerade diese ersten Bilder des Films von einem Anderen der „anderen Szene“ filmischer Darstellung von Schauspielausbildung, das in dem Fernsehbericht von 1961 nicht selbst in Erscheinung tritt und dennoch präsent ist: das andere Berlin, die andere Berliner Schauspielausbildung, die andere deutsche Kultur und Gesellschaft und das andere deutsche Fernsehen. So sehen wir in der Eröffnungssequenz erstens das Brandenburger Tor aus südwestlicher Perspektive und eben nicht von der Straße „Unter den Linden“ her.2 So wird zweitens die Siegessäule gezeigt, die trotz eines Antrags auf Abriss durch SED-Funktionäre im...