Das Gespräch fand im Vorfeld von Castorfs sechster Dostojewski-Inszenierung »Die Wirtin« im November 2012 statt, Frank Castorf war seit zwanzig Jahren Intendant der Volksbühne.
Herr Castorf, jahrelang haben Journalisten wie ich, vielleicht ja nicht völlig zu Unrecht, geschrieben, die Volksbühne sei am Ende. Und plötzlich wurde Ihr Theater mit drei Inszenierungen zum Theatertreffen eingeladen, mindestens jede zweite Volksbühnen-Premiere ist wieder aufregend. Wie kommt’s?
Was soll ich dazu sagen? Ich habe mich immer als eine gewisse Helmut-Kohl-Analogie empfunden und notfalls Sachen einfach ausgesessen. Man kann nicht durchgängig Erfolg haben, das hatte ich in der DDR auch nicht. Zu verbittern hat keinen Sinn, ich habe nur ein Leben. Natürlich bin ich aus dem Zeitfenster gerutscht. Ich habe ja nicht meine Heimat gefunden in diesem neuen Deutschland, das ist mir fremd geblieben. Berlin gehört den Touristen, das schwappt natürlich auch in die Volksbühne. Eine Freundin aus Paris war neulich in einer Aufführung und sagte hinterher, so viele Leute, die man sich auch in einer Ku’damm-Komödie vorstellen könnte, hätte sie in der Volksbühne noch nie im Zuschauerraum gesehen. Das ist ja vielleicht nicht nur negativ, aber da hat sich was verändert. Was wir vor zwanzig Jahren in so einer exklusiven Verschiedenartigkeit von Schlingensief bis...