Das Theater leben: DIE HANDLUNG
34 Der Trancezustand des Performers
von Julian Beck
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
Der Performer ist immer im Zustand der Trance.
Der Trancezustand des Performers.
Das gilt für das konventionelle Theater, für Tanz, Jazz, Rock, Oper, Varieté, für alle Genres. Es gilt auf der Straße, beim Straßentheater, bei Demonstrationen und Zusammenstößen. Es gilt auch für den Revolutionär während der Revolution.
Die Methode von Stanislawski ist eine pratique, um Trance zu erzeugen. Ähnlich wie der Teilnehmer eines primitiven Rituals den Geist eines anderen Wesens empfängt und dessen Charakter annimmt, hat Stanislawski eine ausgefeilte Theorie für die Technik entworfen, die es dem Schauspieler erlaubt – durch rationale Prozesse von akkumuliertem Wissen, Einfühlung, Sinneswahrnehmung, Erinnerung, Studium, Beobachtung, physische und psychische Identifikation –, die Identität und Charakteristik eines anderen anzunehmen, mystisch, fiktional, meist die Kreation der Imagination eines Schriftstellers. So erreicht der Schauspieler den Punkt, an dem er/sie „die Rolle lebt.“ Es handelt sich dabei um eine rational erzeugte Trance.
Jeder Auftritt in der Öffentlichkeit führt automatisch zu einer Trance, weil er die Körperchemie verändert. Um solche Situationen zu meistern, braucht man besondere Kräfte. Man „verliert“ die Kontrolle, eine geheimnisvolle Kraft meldet sich zu Wort, die sich vom Normalzustand unterscheidet, andere Persönlichkeitsaspekte des Schauspielers treten zutage, er wird ein anderer, offenbart einen selten gezeigten Aspekt seines...