Der Pfauen bis 1938
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Oskar Wälterlin (nach einem längeren Zwischenspiel in Frankfurt am Main von 1933 bis 1938, in dieser Zeit fand die Uraufführung von Carl Orffs „Carmina Burana“ statt) wurde 1938 Intendant am Schauspielhaus Zürich. Damit ist dieser Mann, der in persönlichen Beschreibungen etwas Widersprüchliches behält (umsichtig und zugleich mutig soll er gewesen sein, von spitzem Humor und grosser Gelassenheit, hochintelligent und politisch naiv), die zentrale Figur des grossen, prägenden Ereignisses der Schweizer Theatergeschichte überhaupt geworden, der Direktor jener Bühne des Exils und der Menschlichkeit inmitten eines Kontinents, der erst vom Faschismus und dann vom Krieg zerstört wurde. Wie nichts anderes hat diese Züricher Konstellation die Frage nach dem Theater in der Schweiz geprägt.
Dieses fundamentale Ereignis ist immer wieder, in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Arbeiten von Ursula Amrein, neu eingeordnet worden. Insbesondere geht es dabei um die Frage, worin die Rolle des Schauspielhauses wirklich bestand und wie Zürich bzw. die Schweiz sich dazu verhielt. Die beiden Hauptfragen sind: Was war das für ein Theater? Wollte Zürich es oder lehnte es dieses Theater ab? Um es zunächst einfach zu sagen: Die Bühne des Widerstands, die man vor allem in der Zeit nach 1945 sehen wollte, war eine Stilisierung. Dem trat dann...