Theater der Zeit

Außerordentliche Nebenfiguren

Vier Fälle aus der Bildkunst

von Wolfgang Kemp

Erschienen in: Recherchen 171: Nebenfiguren (11/2024)

Abb. 1: Dirk Jacobz, Schützengilde (1529), Amsterdam, Rijksmuseum
Abb. 1: Dirk Jacobz, Schützengilde (1529), Amsterdam, RijksmuseumFoto: Wiki Commons

»Act so there is no use in center.«
Gertrude Stein, Tender Buttons, 19141

Einer der Kombattanten um den Ingeborg-Bachmann-Preis 2022 war Alexandru Bulucz, ein in Rumänien gebürtiger Schweizer Autor, der sich wie viele, gefühlt alle, seiner Mitbewerber und Mitbewerberinnen am Themenkreis ›Identity‹ abarbeitete. Sein Erzähler, auch in Rumänien gebürtig, ebenfalls im Ausland lebend, sieht »seine Kreise«, also seine Welt, von drei Arten von anderen definiert und tendenziell infiltriert. Sie heißen: die Passanten, die Tangenten und die Sekanten.

Die Passanten waren ihm die liebsten, er war ihr unbeteiligter Beobachter, die Tangenten waren in der Regel harmlos, auch wenn manche Situationen grenzwertig waren, was seine Beteiligung herausforderte, was ihm missfiel, und die Sekanten, die stachen sich durch seine Kreise hindurch und wirbelten sein Leben durcheinander, was er abgrundtief verabscheute.2

Soweit die Sozialtopologie, die ein Marginalisierter absteckt, nicht nach Klassen, Gruppen, Geschlechtern, Instanzen, sondern nach Graden der Nähe und daraus resultierender Einwirkung, more ­geometrico, wobei zugegebenermaßen die Passanten kein Begriff aus der Mathematik sind, aber als Kategorie seit Poe und Baudelaire geadelt, sowohl als Perspektivträger als auch als anonymes Gegenüber. Mit den Passanten beginnt für die Nebenfiguren die Moderne. Im Fall des Fremden und Marginalisierten ist Distanz und Anonymität...

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