KROATIEN
Zwischen Text und Kontext
von Hrvoje Ivanković
Erschienen in: Recherchen 61: Landvermessungen – Theaterlandschaften in Mittel- und Osteuropa (12/2008)
Die Zahl ausländischer Regisseure auf kroatischen Bühnen stieg im Laufe der vergangenen Spielzeiten deutlich an. Das renommierte Theater Gavella in Zagreb ist dabei das radikalste Beispiel für dieses Phänomen: In den letzten beiden Spielzeiten waren von acht Premieren nur zwei der Arbeit kroatischer Regisseure zuzuschreiben. Diese Zahlen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der häufig gestellten These von der Einfallslosigkeit der Regisseure als größtes Problem des kroatischen Schauspiels. Offensichtlich wird der Ausweg in einem konzeptlosen »Import« von Regisseuren gesucht, während die Wurzel des Übels meist der Akademie der Künste in Zagreb zugeschrieben wird, die einzige Hochschule Kroatiens mit dem Studienfach Regie. Die Tatsache, dass es dem kroatischen Theater an guten Regisseuren mangelt, ist nicht zu leugnen. Dabei geht es nicht nur um eine desorientierte jüngere Generation von Regisseuren, die nur schwer eine Kontinuität in ihre Arbeit und Aufführungen zu bringen vermag, ganz zu schweigen von einer poetisch-stilistischen Wiedererkennbarkeit; die Rede ist hier ebenso von den Regisseure über 45, unter denen viele Handwerker und Dekorateure zu finden sind (von Pfuschern ganz zu schweigen). Es finden sich kaum innovative und starke Autorenpersönlichkeiten unter ihnen, die mit ihrer Arbeit Einfluss auf die Schauspielensembles, das Publikum und ihre jüngeren Kollegen ausüben. Die Akademie der Künste...