Geistige Landesverteidigung
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Die Geistige Landesverteidigung, wesentlich befördert vom Schriftstellerverband, wesentlich gedacht als Schutz des Eigenen, wesentlich begriffen als genuin schweizerisches Denken, wurde für die Politik wie auch die Theaterauffassung in diesen Jahren zur zentralen Idee und zum zentralen Problem. „Ausgehend von einem Literaturbegriff, der den Nationalgedanken ins Zentrum rückte und darin eine ganze Reihe von Analogien mit dem völkisch-nationalen Literaturkonzept aufwies, konnte der Schriftstellerverein seine beruflichen Interessen als politische Notwendigkeit legitimieren“, schreibt die Literaturwissenschaftlerin Ursula Amrein.
Die Ab- und Ausgrenzungen, die das nach sich zog, ergaben sich fast von selbst. Auch die Metaphorik ergab sich fast zwingend. Intensiv wurden nun wieder die Alpen bemüht, seit langem konstitutiv für das Schweizer Selbstverständnis. Sogar auf höchster Ebene, in einer Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung von 1938, wurde der Gotthard beschworen, als „einziger Gebirgsblock“, als Ort der „ersten eidgenössischen Bünde“, als „Quelle der drei Ströme“. Das hörte sich – O-Ton – so an: „Der schweizerische Staatsgedanke ist nicht aus der Rasse, nicht aus dem Fleisch, er ist aus dem Geist geboren. Es ist doch etwas Grossartiges, etwas Monumentales, dass um den Gotthard, den Berg der Scheidung und den Pass der Verbindung, eine gewaltig grosse Idee ihre Menschwerdung, ihre Staatswerdung feiern durfte, eine europäische, eine...