Upcycling Brecht
Roland Schimmelpfennigs Der goldene Drache
von Eun-Soo Jang
Erschienen in: Recherchen 136: Recycling Brecht – Materialwert, Nachleben, Überleben (07/2018)
Assoziationen: Wissenschaft Roland Schimmelpfennig
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Im Jahr 1926 machte Brecht eine kritische Bemerkung zur damaligen Theaterszene: „Aber im ganzen ist das Theater so tot, als es nur sein kann.“2 Brecht deklarierte damit die Theaterlandschaft seiner Zeit als überholt und innovationsbedürftig. Ein halbes Jahrhundert später behaupteten analog dazu einige Theaterkritiker, das Brechttheater sei tot.3 Hat das Theater Brechts noch eine Chance in der Zukunft? Ist das Brechttheater, wie in den letzten Jahrzehnten oft behauptet wurde, von der Zeit tatsächlich überholt, also tot?
Das Brechtsche Theatermodell, das im letzten Jahrhundert als unabdingbare Grundlage zeitgenössischer Theaterformen diente, ist aber auch für viele Theatermacher heute durch die technischen und politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte nicht verloren. Brechts Ansatz wird dabei freilich von Theatermachern in vielfacher Weise an die veränderten gesellschaftlichen und ästhetischen Bedingungen der Gegenwart angepasst. Beispiele sind die Laiendarsteller, die in der Nachfolge von Brechts Lehrstückgedanken bei der Gruppe Rimini Protokoll als „Experten des Alltags“ auf der Bühne stehen, und die Stücke von René Pollesch, die herkömmliche Figurenpsychologie verunmöglichen.
Die Frage, ob das Brechttheater tatsächlich überholt oder aktueller denn je ist, kann man trotz dieser Ansätze nicht sofort beantworten. Zuvor wäre zu klären, was eigentlich das Brechttheater von heute ist. Wir wollen dieses anhand des...