Zukunft erzählen
Konferenz zur Zukunft des Theaters und der Ausbildung für die Darstellenden Künste
Erschienen in: Learning for the Future – Zukunftskonferenz für die Darstellenden Künste (04/2024)
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit als heterogen, diskontinuierlich und kontingent dazu geführt, dass Modelle systematischer und vereinheitlichender Welterklärung und der politischen Umsetzungen, für die sie das theoretische Fundament bildeten, in Zweifel gezogen wurden. So konnte poststrukturalistische Theorie vom Ende der großen Erzählungen sprechen, vom Ende der Metaerzählungen der Moderne, die dazu dienten, gesellschaftliche Institutionen, politische Praktiken, Ethik und Denkweisen zu legitimieren. Die Theorie vom Ende der großen Erzählungen hat nicht nur die Postmoderne eingeläutet, sondern auch das Bewusstsein dafür geschärft, dass unsere gesellschaftliche Gegenwart von Erzählungen konstituiert wird.
Es ist ein wirkmächtiges Narrativ, das die Wahrnehmung unserer Lebenswelt beherrscht und weitgehend unser Denken und Handeln, unsere Diskurse bestimmt: Es ist das Narrativ der Krise. Die Flüchtlingskrise, die durch den radikalen Klimawandel verursachte Krise, die durch die Coronapandemie und durch den Krieg in Europa ausgelösten globalen Krisen haben dazu geführt, dass die Fortschrittserzählung der Aufklärung, die über einen langen Zeitraum die Triebkraft westlich-kapitalistischer Gesellschaft bildete, in unserer Gegenwart zunehmend von der Krisenerzählung abgelöst wird.
Wenn die Fortschrittserzählung der Aufklärung, die geschichtsphilosophische Metanarration von der teleologischen Bestimmtheit des Weltenlaufs, die die Entwicklung vom Niederen zum Höheren, die zunehmende Verbesserung menschlicher Lebenswirklichkeiten noch garantierte – wenn diese...