Das Schauspielhaus heute: Hartmann, Frey und Stemann
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Matthias Hartmann und Barbara Frey, die beiden Direktoren, die Marthaler im Schauspielhaus folgten, der eine wegen seiner Berufung ans Burgtheater wieder nur vier Jahre Direktor, die andere dann zehn Jahre lang Direktorin, waren angesichts von Marthaler ein wenig wie ein Backlash, aber auch nur ein wenig. Was Hartmann gegenüber Marthaler war, sieht man nicht nur an den Inszenierungen der beiden, supersensibel steht superkalkuliert gegenüber, man sieht es auch an den beiden „Hamlets“, die in ihrer Zeit erarbeitet wurden. Schlingensiefs Version war eine wilde Mischung, mit der er auch den Stadtraum bespielte und die Stadt zur Wallung brachte. Er hatte deutsche Aussteigernazis gecastet, gleichzeitig war die Aufführung ein Aufguss der alten Gründgens-Inszenierung mit Bibiana Beglau und Sebastian Rudolph in den Hauptrollen.
Unter Hartmann gab es dagegen die kluge „Hamlet“-Adaption von Jan Bosse mit Joachim Meyerhoff in der Titelrolle, im Prinzip eine gewaltige Soloshow, zeitnah und direkt, aber trotz Meyerhoff meilenweit von Schlingensiefs Anarchie entfernt. Danach einen „Hamlet“? Wie würde Barbara Frey auf diese beiden Vorlagen reagieren? Sie machte gegen Ende ihrer Direktion doch noch eine sehr lebendige Inszenierung des Stücks, eine junge und einfache Version, die mutiger Weise eigentlich das Gegenteil von dem war, was sie kann und wofür sie steht....