Zürcher Zerwürfnisse
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Noch einmal ein halbes Jahrhundert zurück: Nach dem schnellen und gnadenlosen Scheitern Peter Löfflers, Klaus Völkers und Peter Steins in Zürich (s.S. 59) war guter Rat teuer. Der pensionierte Harry Buckwitz wurde in Frankfurt am Main reaktiviert und nach Zürich geholt. Er hatte in Frankfurt trotz Kaltem Krieg Brecht aufgeführt, das war ein entscheidender Grund. Er war nicht nur ein Profi, sondern auch progressiv und offen genug, um Zürich nicht in die absolute Reaktion zu führen. Buckwitz sollte ursprünglich nur kurz bleiben, es wurden dann aber sieben Jahre daraus, bis 1977. Man war froh, dass der Laden überhaupt lief. Die neue Generation entfernte sich unterdessen zunehmend vom Schauspielhaus, es war nicht mehr ihre Geschichte, die hier verhandelt wurde. Die Gesellschaft begann sich zu spalten. 1971 wurde, als Alternativbühne, das Neumarkttheater gegründet, das war das alternative Theater. Wer ins Neumarkt ging, ging nicht ins Schauspielhaus, wer in die Oper ging, auch nicht.
Werner Düggelin, die Schweizer Wunderwaffe, sollte als Direktor gewonnen werden. Es misslang. Dürrenmatt, der Ambitionen auf den Posten hatte, zog sich zurück. 1972 wurde Buckwitz verlängert. Der Keller, der im Schauspielhaus gegründet wurde, das Tramdepot Tiefenbrunn und das Nachtstudio, alternative Spielorte, sollten diese Entwicklung auffangen, sozusagen die Alternativkultur ans...