Trennung und Zusammenstoß der Rhythmen
Dynamische Zustände in der Fatzer-Inszenierung von Chiten
von Mai Miyake
Erschienen in: Recherchen 136: Recycling Brecht – Materialwert, Nachleben, Überleben (07/2018)
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Wie ist es möglich, ein Fragment gebliebenes Theaterstück aufzuführen, das vom Dramatiker selbst als „unmöglich“ und als ein „Experiment ohne Realität“2 eingeschätzt wurde? Diese Frage ist dem Fatzer-Text von Bertolt Brecht latent mit eingeschrieben. Trotz des immensen Umfangs von fünfhundert Seiten, bestehend aus weitreichenden Notizen, Szenen- und Fabelentwürfen sowie Passagen für Chöre und Gegenchöre, ist Fatzer unvollendet geblieben. Gleichzeitig ermöglicht gerade das Fragmentarische die Technik der Montage, wodurch immer neue Zusammenhänge generiert werden.3 Judith Wilke, die eine umfangreiche Analyse des Fatzer-Fragments durchführte, sieht in der Unaufführbarkeit dieser Texte ein kreatives Potential: „eine eigene ästhetische Form, die die gängige Aufführungspraxis in Frage stellt“4. In Hinblick auf das kreative Potential und mit dem Anspruch einer eigenen ästhetischen Form setzt sich die japanische Theatergruppe Chiten mit dem Fatzer-Konglomerat auseinander.
Die Gruppe Chiten hat sich im Jahr 2001 gegründet und besteht aus sechs Schauspielerinnen und Schauspieler und dem Regisseur Motoi Miura. Eines der besonderen Merkmale der Theaterarbeiten Chitens ist die Rhythmisierung theatraler Elemente. Dabei stehen die optischen und akustischen Elemente (wie Sprache, Musik und Gesten) im Vordergrund. In den Inszenierungen von Chiten sind verschiedene rhythmische Phänomene im Zusammenspiel dieser exponierten Elemente wahrzunehmen, die sich nicht leicht...