Die Katze von Kasan
KATJUSCHA oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Aus dem Kriegstagebuch eines Laudators (2018)
von Mark Lammert
Erschienen in: Rot Gelb Blau – Texte zum Theater (10/2019)
Montag, 15. Januar 2018, kurz vor Mitternacht
Anruf von Valery Tscheplanowa: Ob ich denn, da sie einen Preis bekommen habe, den Ulrich-Wildgruber-Preis, bereit sei, eine Laudatio auf sie zu halten. Allerdings, kurze Pause, die Verleihung sei am Sonntag. Am kommenden Sonntag. Nicht die naheliegende Gegenfrage drängt sich in den Vordergrund, wer denn abgesagt habe, sondern die Erinnerung an die eigene Absage einer Laudatio gegenüber einem Schauspielerduo, das vor einiger Zeit gemeinsam einen „Ring“ bekommen hat. Also Bedenkzeit bis morgen, Dienstag, zehn Uhr. Eine Stunde nach Mitternacht ist mir klar, es tun zu müssen.
„Sie ist eine Spielerin der Bühne ohne Show, darin diszipliniert, wie der Zivilist es im Alltag ist.“ So fangen Laudationes in etwa ja oft an. Zivilistin ist Valery Tscheplanowa nicht. Glaube ich. Aber ist sie eine Schauspielerin in des Wortes eigenem Sinn? Eine Frage, die ich mir seit 2006 leiste zu stellen. Ich kenne die Preisträgerin ein Drittel ihres Lebens. Seit zwölf Jahren stelle ich mir gelegentlich die Frage: Was ist sie? Wer sie ist, weiß ich von Beginn an. Sie ist Waffe. Und sie war Waffe, schon als sie noch nicht bekrönte Nachwuchsschauspielerin war, sondern sogenannte Debütantin. Man hörte solche Kantinenäußerungen: „Die junge Kollegin stellt aber...