Die Passion Kinski
Peter Geyers Kinski: Jesus Christus Erlöser
von Jörn Etzold
Erschienen in: Recherchen 91: Die andere Szene – Theaterarbeit und Theaterproben im Dokumentarfilm (07/2014)
Time Capsule
Im Jahre 2008 kam ein Film in die deutschen Kinos, den die Zeitschrift Variety vollkommen zurecht als „time capsule of societal ideals and personal demons“1 bezeichnete. Klaus Kinskis Nachlassverwalter Peter Geyer hatte Filmmaterial einer Veranstaltung aus einer jungen und doch rätselhaft fremden Vergangenheit montiert, die Aufzeichnungen eines Abend[s] mit Klaus Kinski. So lautet der Untertitel des Films, und er scheint nicht unbedacht gewählt: Denn ob es sich bei der Veranstaltung um einen Monolog handelte, um eine Rezitation, einen Vortrag, eine Predigt oder gar um eine Passion, ist nicht leicht zu sagen. Sicher ist indes, dass die Zuschauer damals einen Abend mit einer singulären Person durchlebten, die den Namen „Klaus Kinski“ trug.
Dieser eine Abend liefert das gesamte Material für den Film; hinzugefügt wurden von Geyer einzig Musik – eine dramatische Komposition im Zwölf-Achtel-Takt mit Klavier und Streichern2 – sowie Texttafeln mit Kommentaren zu diesem Abend, die aus Kinskis Autobiografie Ich brauche Liebe entnommen wurden.3 Die Aufführung fand am 20. November 1971 in der Berliner Deutschlandhalle statt und sollte der Auftakt einer Welttournee sein, die jedoch wegen der Insolvenz des Veranstalters nach nur zwei Aufführungen abgebrochen wurde. Sie trug denselben Titel wie der Film, der...