TogetherText: Eine Einführung
von Martin Jörg Schäfer und Karin Nissen-Rizvani
Erschienen in: Recherchen 155: TogetherText – Prozessual erzeugte Texte im Gegenwartstheater (12/2020)
I. Einstieg
Was im 21. Jahrhundert nicht nur im deutschsprachigen Raum für die szenischen Künste insgesamt gilt, gilt auch für ihre Sprechtexte und schriftlichen Anteile: Diese entstehen in Prozessen zwischen mehreren Beteiligten, z. B. werden sie in einem Team von Kunstschaffenden hervorgebracht oder in dessen Öffnung zu nichtprofessionellen Beteiligten oder auch bei jeder Performance anders unter Mitwirkung des Publikums.1 Solch höchst unterschiedliche Textphänomene verbindet, dass sie meist kein Eigenleben abseits ihres szenischen Kontexts führen und dieses oft auch nicht durch eine nachträgliche Publikation erhalten. Sie liegen nicht zu Beginn der Konzeption oder der Proben als ein zusammenhängendes Material oder eine Textvorlage vor, die dann nur noch bearbeitet und transformiert werden müsste. Vielmehr werden sie von den manchmal sozial heterogenen und oft mehrsprachigen Beteiligten gemeinsam in Proben entwickelt oder aus Recherchen zusammengestellt – mal mehr, mal weniger hierarchisch; mal kollaborativ, vielleicht sogar kollektiv, oft durchaus agonal; mal analog, mal digital unter Verwendung computerisierter Textgeneratoren; mal im Zentrum der betreffenden Produktion, mal als eher randständiges Element z. B. neben sozialer Interaktion oder in einer choreographischen Arbeit. Dieser Vielzahl von höchst unterschiedlichen Texten, die von ihren Entstehungsprozessen meist ebenso wenig zu trennen sind wie von ihren szenischen Kontexten, ist der vorliegende Band...