Theater der Zeit

Editorial

Editorial

von Birte Werner und Meike Fechner

Erschienen in: ixypsilonzett: Märchen (10/2022)

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Familienstück, Weihnachtsmärchen, Wintermärchen – egal, wie es genannt wird, es ist eine wichtige Spielplanposition im Theater und bei Veranstalter*innen. Was soll an dieser Position im Spielplan stehen? Immer wieder ist das eine so leidenschaftlich wie kontrovers diskutierte Frage, immer wieder wird sie neu und grundsätzlich gestellt. Woran liegt das?

Für viele Theater, egal ob großes Haus oder mobile Produktion, ist ihr Weihnachtsstück Erstbesucher*innenkontakt und „Cash-Cow“ zugleich: auf Wochen im Voraus ausverkauft, gut zu kalkulieren. Das Dschungelbuch, Der Räuber Hotzenplotz, Hänsel und Gretel, Ronja Räubertochter, Die Schneekönigin, Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch – gute Titel für das Marketing. Mit der Märchenposition schlägt vielerorts die Stunde der altbekannten oder modernen Klassiker des Genres.

Für dieses Heft haben wir uns bei Expert*innen zum Thema umgehört und festgestellt: Vielleicht muss die Frage, was an dieser Position in den Spielplan kommt, jedes Jahr neu verhandelt werden. Denn drei Kernfragen, die Theaterschaffende für junges Publikum beschäftigen, treffen bei dieser Diskussion zusammen: Mit welchen Geschichten und welcher Ästhetik wollen und müssen wir junge Menschen heute bekannt machen? Welcher Titel ist unter ökonomischen Gesichtspunkten erfolgsversprechend? Und: Wie ist mit Kompetenz- und Machtfragen umzugehen, wenn das Weihnachtsmärchen in Koproduktion entsteht – von „Junger Sparte“ und „Großem Haus“, oder von Freier Gruppe und Stadttheater?

Die Autor*innen in diesem Heft nehmen die Position „Märchen“ aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick: Einige betrachten es für uns als Textsorte und als literarische Gattung. Sie denken über aktuelle Interpretationen nach und darüber, welche Märchen neu zu schreiben wären. Andere widmen sich der Spielplanposition „Weihnachtsmärchen“ mit ihren ökonomischen und (macht)politischen Fragen. Wir hoffen, dass wir damit aktuellen Stoff für die anstehenden Diskussionen um das nächste „Weihnachtsmärchen“ liefern und Gedankenanstöße, Argumentationshilfen, vielleicht ganz konkrete Ideen mit auf den Weg geben können. Viel Freude beim Lesen und im Theater!

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