Kulturpolitischer Ausblick
von Henning Fülle
Erschienen in: Wir haben es einfach gemacht! – Reisen in internationale Theaterwelten (07/2024)
Das Beispiel des Bielefelder Theaterlabors im Kontext der Entwicklungen der Freien Szene in den 1980er und 1990er Jahren bis in die Gegenwart zeigt deutlich deren große gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung. Während die Rede von der Zweiten Säule der deutschen Theaterlandschaft, die 2008 im Schlussbericht der Enquete-Kommission Deutsche Kultur des Deutschen Bundestags noch vor allem als Forderung nach Anerkennung und weiterer Förderung formuliert wurde, war es während der Coronapandemien 2020 bis 2023 politisch schon kein Streitgegenstand mehr, dass auch der großen Zahl der soloselbstständigen Künstler*innen der Freien Szene durch die Mittel des Programms Neustart Kultur der Kulturstaatsministerin geholfen werden musste. Dabei zeigten die mehr als 200 Millionen Euro, die allein von der Bundesebene durch den Fonds Darstellenden Künste und den Dachverband Tanz und einige weitere intermediäre Institutionen verteilt wurden, sowohl den Umfang dieser Szene als auch deren nicht mehr bestrittene qualitative gesellschaftsund kulturpolitische Bedeutung.
Diese Übernahme der politischen Verantwortung für die Freie Szene, zu der sich in der existenziellen Krise Bund, Länder und Kommunen bekannt haben, müsste nun allerdings auch zum Modell für die kulturpolitische Alltagspraxis werden. So wie die Gesellschaft die Stadtund Staatstheater-, die Orchesterund Festspiellandschaft überwiegend als kulturelle Verpflichtung akzeptiert, die dauerhaft, durchgehend und verlässlich zu finanzieren ist, muss...