Das Theater leben: DIE HANDLUNG
35 Reflexionen über Aufführungen
von Julian Beck
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
REFLEXIONEN ÜBER AUFFÜHRUNGEN
Paradise Now: Wut und Gewalt. Oder Leidenschaft. Die Wut und der Zorn tragen den Performer in Regionen von Poesie und Kreativität, sie entfesseln jene Kräfte, sie kennen die Passwörter zu den versperrten Wegen, ihnen gelingt der psychische Wandel, sie durchstoßen den Panzer des Verstands.
Mehr als alles andere ist die Aufführung ein Trip, ein Daseinszustand.
The Brig (1963) erreichte folgende Veränderung: Fiktion wird jetzt als Parenthese betrachtet in der Geschichte der Kunst: das Ende der Darstellung. Wenn er Paradise Now spielt, tritt der Schauspieler sich selbst gegenüber. Auf den höchsten und niedrigsten Ebenen. Setzt alle Hebel in Bewegung, um durchzudringen.
Gleichzeitig versuche ich, zu mir selbst durchzudringen. Ich stemme mich gegen den Spiegel. Ich dringe nicht vor. Ich will nicht auf die andere Seite des Spiegels. Zu mir selbst will ich vordringen. Ich stemme mich gegen mein eigenes Bild. Nicht gut. Nichts geht. Ich will in dich dringen.
Ich rede hier über Schauspielmethoden.
Ich rufe, weil du nicht hören kannst, ich schreie, es ist der kollektive Schrei der Leidenden und Zornigen, ich bin das Medium für die Wut der stummen Unterdrückten.
Ich schreie in deiner Anwesenheit, um zu dir durchzudringen: Schrei! Etwas passiert, die Gemütsruhe weicht. Lauter!...