BELARUS
Die Welt im Spiegel betrachtet
von Tatjana Komonowa
Erschienen in: Recherchen 61: Landvermessungen – Theaterlandschaften in Mittel- und Osteuropa (12/2008)
»Was wird der nächste Tag mir bringen?« Ganz im Sinne der klassischen Frage aus EUGEN ONEGIN befindet sich das belarussische Theater zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer unterschwelligen Erwartungshaltung. Die Hauptsorge, die alle hiesigen Theaterschaffenden umtreibt, ist die Frage nach der Rolle des Theaters in der neuen Realität und ihren veränderten wirtschaftlichen Bedingungen.
Bereits beim flüchtigen Blick auf die Geschichte des belarussischen Theaters fällt auf, dass das ganze 20. Jahrhundert hindurch, seit der Entstehung der ersten professionellen Ensembles, nur das Repertoiretheater geschätzt und gefördert wurde. Es unterstand dem Kultusministerium und wurde aus der Staatskasse finanziert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts jedoch hat die veränderte wirtschaftliche Lage für die Theater eine neue Art der Finanzierung mit sich gebracht. Der Staat trägt jetzt nur noch die Gehälter der Schauspieler und die Betriebskosten für die Spielstätten. Die Kosten für die kreative Arbeit an neuen Inszenierungen, den eigentlichen Hauptposten, müssen die Ensembles selbst schultern. Die einzige Art der finanziellen Unterstützung durch den Staat geschieht in Form öffentlich geförderter Auftragsarbeiten – als gezielte Finanzierung von »gesellschaftlich relevanten« Inszenierungen. In diese Kategorie gehören Aufführungen belarussischer und internationaler Klassiker sowie Stücke, die sich mit der belarussischen Geschichte auseinandersetzen. Das hat zur Folge, dass die Spielpläne der...