Das Theater leben: DIE HANDLUNG
3 Frankenstein, III. Akt
von Julian Beck
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
FRANKENSTEIN, III. AKT.
Eine blutige Revolution bricht aus im Gefängnis Welt. Es ist Viktor Frankensteins endgültige Lösung, der letzte verzweifelte Versuch, seine Aufgabe zu lösen: „Wie das menschliche Leiden beenden?“ Und die ganze Welt geht in Flammen auf; und aus der Asche formt sich einmal mehr die Kreatur, sie bedroht die Welt mit Suchscheinwerfer und Netz. Plötzlich passiert die Verwandlung: Die Kreatur lässt ihre Werkzeuge fallen, wirft beide Arme zum Himmel, sie reckt den Kopf empor, die Menschheit lebt, alle Hoffnung liegt auf der Kreatur. Weil wir glauben, dass das Wunderbare geschehen kann. Denn wenn wir die Welt in einer Revolution niederbrennen, mit Gewalt, wird das Leben nur durch ein Wunder, nur durch Mutation weitergehen.
Am Ende des ersten und dritten Aktes formt sich die Kreatur aus jenen toten Körpern, die der Gesellschaft zum Opfer gefallen sind. Die Kreatur, die zum Leben erwacht, entsteht aus den verkohlten Leibern, und das sind wir, am Ende der gewaltsamen Revolution – verkohlt, verwundet, verstümmelt, bedrohlich, aggressiv, zu retten nur noch durch Mutation.
Das Bild der Hoffnung inmitten von so viel Verzweiflung ist zwingend im Katechismus der Revolution. Weil Verzweiflung jedes Handeln zerstört.
Brooklyn, New York City, Oktober 1968