Ein eigener Weg: Westschweizer Sprechtheater von 1970 bis 2020
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Als Benno Besson 1977 die DDR hinter sich liess, ging er nicht in die Schweiz, sondern nach Paris. Er arbeitete in Avignon, ausserdem in Helsinki, Stockholm und Wien – eine Internationalität, die damals noch ausserordentlich war. 1982 aber war es dann so weit, Besson wurde ein Teil des Schweizer Theaterlebens und von 1982 bis 1989 Leiter der Comédie de Genève. Heiner Müller, von allen Brecht-Erben wahrscheinlich die grösste Autorität, sagte bei der Pressekonferenz zu Bessons Genfer Einführung: „Ich bedaure natürlich sehr, dass die Schweiz den Besson wiederhat.“ Der gleiche Müller hatte ein paar Jahre zuvor Bessons „Der Drache“ von Jewgeni Schwarz am Deutschen Theater Berlin als das Ende des politischen Theaters in der DDR kritisiert. Das zeigt hervorragend das Spannungsfeld, in dem Besson agierte.
Damals wurde Genf, sozusagen mit einer einzigen Berufung, von einer Randexistenz mitten hinein in die Welt des europäischen Theaters katapultiert. Die Comédie produzierte mit Besson nicht nur selbst, sie zeigte nun nicht nur Aufführungen auf international höchstem Niveau, sie wurde auch Teil eines Netzwerks europäischer Bühnen. Das war so innovativ, dass man es damals nicht nur in Genf nicht richtig verstand, es war die fortschrittlichste Produktionsform überhaupt. Das aber brachte Besson nicht nur Freunde. Es ist...