Laudatio
Arbeiterin im Bergwerk des Chors
Laudatio für Marta Górnicka anlässlich der Verleihung des ITI-Preises 2025
von Ulrike Haß
Assoziationen: Marta Górnicka Theater und Orchester Heidelberg
Erschienen am 23.6.2025

Den Chor gibt es nicht. Er hat viele disparate Ursprünge, ist viel älter als die sprichwörtlichen alten Griechen, kommt von woanders her und kennt keinem gemeinsamen Nenner. Es gibt daher nur einen Chor, den wir uns wieder und wieder erfinden müssen. Ein Unternehmen, das alle betrifft. Eine lebenslange Wette für jene, die sie eingehen – wie Marta Górnicka.
Górnicka sagt, dass sie sich auf die „alte, uralte Idee des CHORAL-Theaters“ bezieht. Ihre Bezugnahme ist existentiell. Sie ist radikal zeitgenössisch und lebt zugleich in den größeren Räumen, die sich durch den Bezug auf etwas „Uraltes“ eröffnen. Gegenwart lässt sich nicht durch Aktualität erreichen. Gegenwart braucht das Bewusstsein, dass sie immer mehr als eine ist: Eine Konfiguration, in der unzählige Mengen von Akteuren und Zeitlichkeiten ko-existieren. Diesem Bewusstsein verdankt sich der hinreißende Schwung, mit dem Górnicka 2009 auf den CHOR zuging mit dem „Ziel, den CHORUS für das Theater und Frauen für den Chorus zurückzugewinnen“.
Ihr erster Frauenchor steht 2010 auf der Bühne des Polnischen Theaterinstituts in Warschau. Sein Titel ist Programm: „Hier spricht der Chor“. 25 Frauen aller Altersstufen widersprechen dem weiblichen Klischee „jung, schön und sexy“. Aber was heißt hier schon Sprechen? Sie feiern sich und ihren Protest mit vollem...
Erschienen am 23.6.2025