Stück
Totreif
von Fabienne Lehmann
Erschienen in: Theater der Zeit: Nachhaltigkeit (03/2025)
© Fabienne Lehmann
Personen:
MICHAEL (ca. 50 J.)
MATILDA (17 J.)
CELIO (ca. 50 J.)
FRAU KOHLER
GERTRUD
GESCHICHTE 1
GESCHICHTE 2
GÖDELI
HEIDI
HELVETIA
DAS MIGRATIONSAMT
WILHELM TELL
ZUHAUSE
MICHAEL Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem die ganze Nacht einer mit Schuhen in Grösse 54 herumlief. Er klopft mit den Handknöcheln in langsamem Takt auf den Küchentisch. Und dazu noch die Geräusche der Maschinen. Und wenn der dann irgendwo ein Problem hatte oder sich die langen Finger einklemmte, dann konnte er eine Viertelstunde lang fluchen und schimpfen und das habe ich halt alles gehört. Die Wände waren ja dünn
MATILDA sagt er, als würde ich sie nicht kennen, die Wände und die Geräusche der Maschinen. Ich kenne das Klatschen, wenn die Lederriemen über die Holzräder hüpfen, das Rieseln der Körner im Trichter, das Rattern, wenn das Sieb hin und her schwingt. Kenne den Atem dieses Hauses, wie es schnauft und röchelt, weiss, dass man sich hier vor nichts mehr fürchtet als der Stille.
MICHAEL Von unserem damaligen Müller dachten ja viele im Dorf, der spinne im höchsten Masse. Der hatte Hände so gross wie Suppenteller. Die waren im Winter ganz blau, wenn er in die Stube kam,...