Kratzer der Erinnerung
von Osman Okkan
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Zugegeben, ich verspüre eine große Solidarität und eine merkwürdige Seelenverwandtschaft, wann immer ich zu Gast im Gorki bin, ob als Gesprächspartner auf der Bühne oder als Zuschauer – bei Aufführungen von Autor*innen und Künstler*innen, die Neugier, Bewunderung und vor allem Respekt abverlangen. Respekt vor ihrem Mut, vor ihrem Engagement, oft auch vor ihrem „Anderssein“. Das Gorki-Ensemble hat mit seiner Intendantin Shermin Langhoff Theatergeschichte geschrieben; und auch die Politik konnte das „Postmigrantische“ bald nicht mehr wegdiskutieren. Was bis heute in dieser Republik in Sachen Diversität erkämpft wurde, trotz AfD, Sarrazin und anderen Bremsklötzen, hätte ohne diesen kreativen Schub womöglich noch länger auf sich warten lassen. Und nicht von ungefähr hat Osman Kavala mit seiner leisen, entschlossenen Stimme eine seiner bemerkenswertesten Reden hier im Gorki gehalten, über die Erinnerungskultur und über das kollektive Gedächtnis – Begriffe, die auch er mit dem neuen Selbstverständnis am Gorki in Verbindung brachte.
Und bei jedem Besuch begleitet mich auch die Erinnerung an zwei prägende Begebenheiten aus den früheren Jahren: zum einen die Bilder „meiner“ Theaterikone Helene Weigel, die ich in ihren letzten Jahren, unweit vom Gorki, noch am Berliner Ensemble auf der Bühne erleben konnte. Von ihr, nach Brecht eine „kleine Gestalt, große Kämpferin“, besitze ich...