Das Hybrid im Aufflug
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
Von Bertolt Brecht gibt es den Satz: „Ein Aviatiker sieht den Flug einer Taube: ‚Die Taube fliegt falsch.‘“
Im Widerstreit der Wissenschaft spricht Joachim Fiebach zweifellos immer für die als falsch fliegend gescholtene Taube. Und da sie von den Aviatikern als falsch fliegend denunziert ist, wird ihr die Existenzberechtigung abgesprochen. Aber der Kenner unterscheidet genau zwischen lebenden Vögeln, exotischen Vogelimitaten, prächtigen toten Präparaten, und lässt sich auch von den überschnellen Tontauben nicht täuschen. Besonders letztere sind sehr beliebt, weil sie beeindruckend kometenhaft aufsteigen, einzig, um die Kunst des Schützen zu demonstrieren.
Eine kleine Episode aus dem Jahre 1981 mag das verdeutlichen. Joachim Fiebach war der wissenschaftliche Berater und Dramaturg beim DDR-Vietnam-Projekt von Brechts Kaukasischem Kreidekreis. Auf der Suche nach einer passenden epischen Theaterform für eine Brecht-Inszenierung sahen wir in Ho-Chi-Minh-City (Saigon) südvietnamesisches Gesangstheater – das Cay Luong. Mein erster Eindruck war kritisch-geringschätzig: zu sentimental, zu bunt, zu süß. Der Realismus, den ich im bäuerlichen Gesangstheater des Nordens, dem Cheo, schätzen gelernt hatte – hier schien er zu fehlen, für mich jedenfalls nicht auffallend, insgesamt unbefriedigend. Leise, fast beiläufig, wechselt Jochen meine Optik.
Ich sehe das anders. Das hier ist eine kulturelle Mischform des Gesangstheaters, stark vom französischen...