9. Die T-Shirt-Manufaktur
Erschienen in: Eine Puppe packt aus – Dokumentarroman (07/2023)
Zum Brötchen-Erwerb produziert Jonas halblegale Mangelware in Form von Sweatshirts mit selbst bedruckten Siebdruck-Motiven. Der große Altberliner Dachboden über seiner Hinterhof Bude in der Immanuelkirchstraße wird zur Siebdruckerei umfunktioniert.
Er kupfert fauchende Löwenmäuler, Micky Maus und den provokanten Slogan „Holiday in New York“ auf selbstgenähte Klamotten.
Diese unförmigen T-Shirts mit Fledermausärmeln sind Jahre vor dem Mauerfall der Renner für das Volk. Am Verkaufsstand bildet sich eine Schlange und die Dinger gehen weg wie warme Semmeln.
Ich bin froh, dass er nie auf die Idee kam, mich als Zorro den Bären auf diesen Shirts zu verewigen. Das Sortiment besteht aus rosa, hellblau, weiß und gelb eingefärbten Bettlaken.
Als Bündchen an Arm, Hals und Saum werden gerippte Männer-Unterhemden in Streifen geschnitten und einfach angenäht. Der Schnitt wird aus einem einzigen Stück Stoff geschneidert und ist sehr variabel, was die unterschiedlichen Größen anbelangt. Die Winterkollektion hat den gleichen Schnitt und wird aus kuscheligen Molton-Bettlaken gezaubert.
Durch Jonas und Konsorten entsteht eine Mode, die es nicht im sozialistischen Handel zu kaufen gibt. Mein Noch-Nicht-Puppenspieler schämt sich insgeheim für diese Mode, da er selbst so etwas nie im Leben tragen würde. Immerhin ist der Siebdruck waschmaschinenfest, es gibt keine Reklamationen. Sobald der Frühling erwacht, verkauft...