System Everything
Erschienen in: CHANGES – Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit (10/2021)
Am Anfang war ich ein Elefant. Mein erster Playthrough von David OReillys Computerspiel Everything begann für mich in der Haut eines Rüsseltiers. Kurz darauf schlüpfte ich in den Körper eines Käfers, verwandelte mich in eine Blütenpolle und wieder zurück. Ich steuerte Grasbüschel und wurde zur Palme, zur Insel, aber auch zum Billardtisch, zu einer Gitarre, zur Sonne und zur Galaxis, in der ich gleichzeitig alles war, alle anderen Dinge verkörperte, die in ihr enthalten sind. David OReillys Everything spielt zum einen mit diesem ständigen Perspektivwechsel, die Dinge und die Welt aus den Augen anderer Dinge zu betrachten. Zum anderen setzt das Spiel den Wechsel der Größenverhältnisse ein, sodass das zuvor verkörperte Objekt zum Maßstab des anderen wird. Es ist eine Reise vom Kleinen ins Große, vom Mikro- zum Makrokosmos und zurück, wie im berühmten Experimentalfilm Powers of 10 (1977) von Charles und Ray Eames.
Der wesentliche Unterschied zum Film ist gewiss, dass Everything ein digitales Spiel ist, ein interaktives Werk, in dem keine Durchquerung der anderen gleicht und die Rezeption individuell erfolgt, je nachdem, welchen Pfad durch den Kosmos Everything der*die Spieler*in wählt. Dieser Pfad führt nicht linear von A nach B, sondern ist viel eher mit einem Netz, einem...