ich, ein*e transformer*in
von Nenad Čupić
Erschienen in: Arbeitsbuch 2021: transformers – digitalität inklusion nachhaltigkeit (07/2021)
In den letzten Jahren und Monaten wurde ein Wort immer wieder bemüht, um einen sprachlichen Ausdruck für einen Zustand zu finden, den immer mehr Menschen in Deutschland bewusst wahrnehmen und sich darin wiederfinden. Es ist das Wort Krise. Im Jahr 2008/2009 war es die Finanzkrise, Bankenkrise und Immobilienkrise; ab 2013 (Snowdens Enthüllungen) die Krise unserer Privatsphäre und digitalen Selbstbestimmung; seit 2015 die Krise des europäischen Grenzregimes; spätestens seit 2016 die Krise der politischen Repräsentation; dazukommen: Wohnraum-Krise, Armutskrise, Klimakrise … Seit 2020 ist die Corona-Krise in aller Munde, welche wiederum offenbart, in welcher Krise sich auch die Institution Theater in Deutschland befindet. In immer kürzeren zeitlichen Abständen werden Fälle von (sexistischer und rassistischer) Diskriminierung und Machtmissbrauch an deutschen Theatern öffentlich und führen uns die Krise der (weißen, bürgerlichen, männlichen) Dominanzkultur, welche einen Großteil der Menschheit und bundesdeutschen Bevölkerung ausschloss, deutlich vor Augen.
Wenn ich das Wort Krise höre, denke ich häufig an den brasilianischen Theatermacher Augusto Boal, welcher ab den 1950er-Jahren etwas entwickelte, was später als Theater der Unterdrückten bekannt wurde. Augusto Boal prägte den Begriff „chinesische Krise“ und verwies damit darauf, dass es „im Mandarin und im Koreanischen wie auch in anderen asiatischen Sprachen […] nicht nur ein einziges Schriftzeichen...