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Von Volksfreunden und Volksfeinden
Der Europäische Theaterpreis geht in diesem Jahr an den Regisseur Valery Fokin. Ein falsches Signal?
Erschienen in: Theater der Zeit: Edgar Selge: Der helle Wahnsinn (01/2019)
Preisfrage: Wer wählt eigentlich den Hauptpreisträger des Europäischen Theaterpreises? Zum besseren Verständnis: Neben der mit 15 000 Euro dotierten, 1986 durch die EU-Kommission initiierten und jährlich verliehenen Auszeichnung gibt es eine Reihe weiterer Preisträger in der Kategorie „Neue theatralische Realitäten“. Diese sogenannten Innovationspreisträger werden von einer Jury ausgesucht, die mit Fachleuten wie der russischen Theaterkritikerin Marina Davydova und dem Hamburger Thalia-Theater-Intendanten und Präsidenten des Internationalen Theaterinstituts Joachim Lux besetzt ist. Angesprochen auf die Vergabe des Hauptpreises, winkt Lux jedoch ab: Damit habe die Jury, der er angehört, nichts zu tun! Aber wer dann?
Im Programmbuch findet sich auf über zweihundert dicht bedruckten Seiten kein Hinweis auf ein entsprechendes Gremium. Nur die Mitglieder der Innovationspreisjury sind aufgelistet. Frage daher – nach ergebnisloser Lektüre des Programmwälzers – an den Pressestab des Preises: Wer hat beschlossen, Valery Fokin, den Intendanten des Sankt Petersburger Alexandrinski-Theaters, beim 17. Europäischen Theaterpreis zu ehren (rein zufälligerweise in dessen Heimatstadt, die diesmal als Gastgeberort auserkoren wurde)? Antwort: Anerkannte Theaterpersönlichkeiten.
Aha!? Das hätte man dann doch gerne genauer gewusst. Auf Nachfrage verweist die Presseabteilung schließlich auf das „Advisory Board“ von Preispräsident Jack Lang, einst französischer Kulturminister unter François Mitterrand. Dem 79-Jährigen steht ein Klub aus Theater-Elder-Statesmen zur Seite, außerdem...