7.2 Spiele mit der Figur!
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Für einen Schauspieler ist das Spielen mit der Figur praktisch die Job-Beschreibung. Tatsächlich wird das im Improtheater erstaunlich oft vergessen. Oft lassen sich Impro-Spieler von äußeren Dingen wie dem Story-Plot, dem Format oder dem Genre ablenken. Aber unsere Aufgabe ist zuvörderst, eine Rolle zu spielen. Gute Storys entwickeln sich primär aus den Figuren, nicht umgekehrt.
Wenn du mit der Figur spielst, kannst du sämtliche Register ziehen: Stimme, Körperhaltung, Emotionen, Bewegungsqualitäten, Status, Sichtweisen, Anschauungen, Entscheidungen.50Durch das Spiel mit diesen Elementen wird die Figur lebendig, und umgekehrt dynamisieren sich diese Elemente automatisch, wenn die Figur lebendig angelegt wird.
Wenn ich also etwa einen feigen Lehrer spiele, so könnte ich zunächst diese zwei Aspekte 1) Lehrer, 2) Feigheit ausdeklinieren: Wir sehen den Lehrer feige gegenüber dem Rektor, gegenüber der Ehefrau, gegenüber einer Schülerin. Und wenn es mir gelingt, wirklich in die Figur einzutauchen, den feigen Lehrer glaubhaft darzustellen, ihn lebendig werden zu lassen, habe ich schon viel erreicht. Aber das große Spielen geht noch einen Schritt weiter: Niemand ist eindimensional. Niemand ist nur feige. Und niemand ist nur Lehrer. Wenn wir menschlich glaubwürdig spielen (und das tun wir, wenn wir aus dem Klischee ausbrechen), dann bleibt nicht nur die Feigheit nachvollziehbar,...