Cleaner und Verfemte. Etablierte und Außenseiter
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Wendungen: Die andere Wahrheit (09/2021)
Geteilte Erfahrungen schweißen zusammen. Man versteht sich ohne viel Worte und manchmal fällt man ins Erzählen und versteht sich wortreich. Wer eine Erfahrung nicht teilt, wird bei dem Versuch, von außen in sie hineinzugelangen, irgendwann an Grenzen stoßen. Aber ohne solche Versuche können wir weder Verständnis noch Empathie füreinander entwickeln. Deshalb sollte man diese Versuche nicht entmutigen. Aber genau das geschieht, und es geschieht zu oft, um darüber hinwegzusehen. Man nabelt Sinnprovinzen vom allgemeinen Kommunikationszusammenhang ab, erklärt sie für autonom und verwehrt Unbefugten, nicht Eingeweihten den Zutritt. Die derart Abgewiesenen fühlen sich berechtigt, ebenso zu verfahren. So wächst das Misstrauen, sich über die Barrieren hinweg überhaupt noch verständigen zu können, und die Bereitschaft, es zu wollen, sinkt. Halb lustlos, halb argwöhnisch spielt man mit den Worten herum, sucht nach einem geheimen Sinn, einer versteckten Absicht darin, achtet mehr darauf, wer etwas sagt und wie es gesagt wird, als auf das Gesagte selbst, was dadurch gleichsam zu Boden fällt, und verstrickt sich und andere in endlose Querelen über die Legitimität von Äußerungen.
Ist es nicht an der Zeit, davon abzulassen? Die Diskurse zu entbürokratisieren. Auf die Vorlage von Ahnenpässen und Berechtigungsscheinen zu verzichten. Versuchsweise davon auszugehen, dass gemeint wird, was gesagt...