19.1.2 Literatur
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Lyrik
Im Improvisationstheater finden wir viele gute Schauspieler und viele Spieler mit gutem Sinn für Storys. Aber nur selten finden wir Poeten. Dabei glaube ich nicht einmal, dass Impro-Spielern für poetische Formen das Talent fehlte. Es wird nur nicht ausreichend genutzt.103
Die intensivste kreative Auseinandersetzung mit Sprache finden wir in der Lyrik, die von den meisten Impro-Spielern nur mit spitzen Fingern angefasst wird. Zwar sind Poetry Slams heute beliebt wie nie zuvor, aber der poetische Mehrwert dieser Veranstaltungen ist in der Regel ziemlich gering. Populär und kreativ ist Lyrik heute dort, wo man sie kaum vermutet – in den düstersten und oft aggressiven Formen des Rap. Nun sind solche Formen wohl nicht jedermanns Sache, aber an der Art wie hier Metaphern gefunden werden, können Impro-Spieler durchaus etwas lernen.
Auch die toten Dichter können uns als Inspiration dienen, man denke nur an die bildhafte Sprache der expressionistischen Dichter, an die spritzige Nüchternheit eines Bertolt Brecht, an die feinfühligen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts und natürlich an den Formen- und Sprach-Reichtum der Klassiker.
Freilich muss man einen intellektuellen Sprung von der Lektüre eines Gedichts zu dessen kreativer Nutzung auf der Impro-Bühne tun. Aber der Transfer muss nicht immer direkt sein. Ich denke,...