Magazin
Geschichten vom Herrn H.: Die Machtfrage hinter der Bühne
von Jakob Hayner
Erschienen in: Theater der Zeit: Subversive Affirmation – Performances von Julian Hetzel (01/2020)
Die Arbeitswelt ist selten vergnüglich – zumindest am unteren Ende der Hierarchie. Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und die Launen der Vorgesetzten machen das Leben eher schwerer als leichter. Das gilt in der Universität wie im Krankenhaus, in der Industrie wie in der Kultur. Es ist eine der Eigentümlichkeiten des Spätkapitalismus, dass man in der Arbeit Dinge zu ertragen gewöhnt wird, die man im Privaten wohl für unvereinbar mit dem eigenen Glücksstreben oder Ansprüchen an Gleichberechtigung und Selbstbestimmung erachten würde. Das führt zu einer Spaltung. Im Theater kann man seit Jahren beobachten, dass es ein „obszönes Wissen“ gibt, das zirkuliert – Geschichten über Aufdringlichkeiten und Zumutungen, die besser nie stattgefunden hätten. Obszön ist dieses Wissen, weil sein Besitz selbst etwas wie eine Währung ist. Wirklich dabei ist nur, wer auch die schmutzigen Betriebsgeheimnisse kennt und teilt. Das jedoch erhält den Status quo, anstatt ihn zu verändern.
Nun liegt glücklicherweise mit Thomas Schmidts „Macht und Struktur im Theater“ ein Versuch vor, ein öffentlich geteiltes Wissen zu etablieren. Es basiert auf einer repräsentativen Studie mit 1966 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die über ihre Arbeit im Theaterbetrieb Auskunft gaben. Über die Hälfe aller Befragten haben etwas wie Anbrüllen, Bedrohen und Zudringlichkeit erlebt. Ebenfalls über die...