Auftritt
Wien: Nachtportier, analfixiert
Volkstheater Wien: „NV / NIGHT VATER / VIENNA“ von Paul McCarthy und Lilith Stangenberg
von Dora Dorsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Der Untergang des russischen Theaters (10/2022)
Assoziationen: Lilith Stangenberg Volkstheater Wien

Ich habe nicht geklatscht. Warum nicht?! Sollte den Akteuren doch bei allen kritischen Vorbehalten generell die Würdigung ihrer Verausgabung zustehen.
„Was für eine Verschwendung von kostbarem Material!“, dachte ich manchmal, wenn ich McCarthys cartoonhafte, formal oft höchst simple Plastiken sah – etwa das kompositorisch grobe Niveau einer Gartenzwerg-Replik mit Dildo, aufgedonnert zur überlebensgroßen Bronze. Wenn das Kritik sein möchte an Spießbürgerlichkeit, müssen wir dafür wirklich den Preis dauerhafter visueller Ödnis im öffentlichen Raum zahlen? Genügte nicht ein vergänglicher Scherz? Wird er komischer durch das Metall mit Ewigkeitswert?
Ein fast 30 Jahre altes charmantes Video im Internet, voll verspielter Einfachheit und clownesker Poesie mit dem Titel „The Painter“ machte mich neugierig auf Paul McCarthys neue performative Arbeit „Night Vater“ im Wiener Volkstheater (Teil der Reihe „NV / Night Vater“, der seit 2017 andauernden Auseinandersetzung von Paul McCarthy und Lilith Stangenberg mit den Themen), versprach die künstlerische Partnerschaft mit der eigensinnig-mutigen Schauspielerin Lilith Stangenberg doch Unvorhersehbarkeit, Bereicherung: Variationen über das Thema „Der Nachtportier“ waren angekündigt, ein kontrovers diskutierter Film der Regisseurin Liliana Cavani aus den frühen 1970er Jahren, der übrigens Charlotte Rampling zum internationalen Durchbruch verhalf.
Ich war gespannt auf eine assoziative Reise durch Themen wie Missbrauch von Abhängigen, Trauma und Rache...