Dignus adventu tuo
Die infernale Pervertierung imperialer Festauftritte in Senecas Thyestes
Erschienen in: Recherchen 115: Auftreten – Wege auf die Bühne (11/2014)
In dem folgenden Beitrag soll ein Aspekt der senecanischen Tragödie beleuchtet werden, der erst in jüngerer Zeit methodische Beachtung findet: die spezifisch theatrale Qualität der Figurenauftritte, die sich in ihrer szenischen Anordnung und metadramatischen Reflexion manifestiert.110 Die gegenwärtige, intensivierte Erforschung der zahlreichen Verweise auf die Szenerie wie der detaillierten Beschreibungen implizierter Bühnenaktivitäten, durch die sich die Dramen signifikant auszeichnen, ist vor allem von der zähen Debatte der ungeklärten Frage angeregt, ob und wie die Tragödien Senecas aufgeführt wurden. Auch wurde im Zuge des interdisziplinär fruchtbaren Theatralitätsdiskurses in der neueren Forschung das Augenmerk zunehmend auf die Reflexivität gelenkt, mit der im Seneca tragicus durch komplexe Rahmungen theatrale Darstellungsverfahren und Rezeptionssituationen bedacht werden. So widmeten sich in den letzten Jahrzehnten einige Studien besonders dem Phänomen der Metatheatralität in Senecas tragischer Dichtung.111 Was im Rahmen dieses Bandes herausgearbeitet werden soll, ist im Speziellen die Tendenz der senecanischen Tragödie, das Auftreten als solches zum besonderen Gegenstand der Betrachtung zu machen und dabei dem Übertritt in die Sphäre der öffentlichen Sichtbarkeit buchstäblich existentielle Bedeutung beizumessen: So ist zu beobachten, dass in der Figurenrede der Akt des Auftretens in auffälliger Art und Weise gerahmt und markiert, der Auftrittsmodus der Dramatis Personae immer wieder eingehend...