Zuhause, Insel und Bastion
von Can Dündar
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Das Gorki ist eine Insel der Diversität auf der Berliner Museumsinsel. Es ist mehr als ein Theater: ein Treffpunkt für unterschiedliche Ideen, Nationen, Geschlechter und Überzeugungen, eine Oase des Widerstands gegen Zwang zur Uniformität, Stereotype und Vorurteile.
Zu Beginn meines Berliner Exils gehörten die Türen des Gorki zu den ersten, die sich mir öffneten. Als ich auf Einladung Shermin Langhoffs eintrat, fühlte ich mich wie in dem Zuhause, von dem ich doch so weit entfernt war. Zunächst begann ich damit, für die Webseite des Theaters zu schreiben und dort Eindrücke über meine neue Stadt zu teilen. Meine Texte wurden gleichzeitig gedruckt und in einem Kasten im Foyer ausgelegt. Wenn ich ins Theater ging, um mir ein Schauspiel anzusehen, beobachtete ich die Leute, die meine Texte aus dem Kasten nahmen, beiseitetraten und lasen, und aus dem Lächeln in ihren Mundwinkeln zog ich ein Glücksgefühl.
Später dann hatte ich das Glück, selbst jene Bühne betreten zu dürfen, deren Zuschauer ich so oft gewesen war: Wir mobilisierten eine Kampagne für den couragierten Journalisten Hrant Dink, der einem rassistischen Anschlag zum Opfer gefallen war. In diesem vielfarbigen Tempel der Kunst im Nabel des „weißen Europas“ trafen ein Türke und eine Armenierin zusammen und gedachten...