Das Theater leben: DIE HANDLUNG
80 Meditationen über das Theater II
von Julian Beck
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
DIE ZOFEN
Als ich das erste Mal das schwarzseidene Höschen anzog, hatte ich sofort einen Ständer. Im Hüfthalter fühlte ich mich erniedrigt. Es fühlte sich gut an. Ich wurde zum Gefangenen in Stöckelschuhen. Es überlief mich heiß und kalt. Ich delirierte. Ich wollte buckeln und getreten werden. Ich zog die schwarze Uniform der Sklavin an, und das Gefühl der Unterwerfung warf mich völlig aus der Bahn, ich wollte, verlangte Madames Dominanz, erst das brachte mich wieder auf meine Bahn.
„Es ist ein Stück über den Menschen in der Rolle der Zofe.“ Judith. „Es ist ein Stück über Klassenstruktur. Über Folter. Es ist ein Stück über die Revolte der unterdrückten Klasse, und es handelt auch von ihrem Unvermögen, die Revolte umzusetzen. Sie können nicht aufhören, Madame nachzuspielen und genau das zu wollen, selbst Madame sein.“ „Toujours l’esclave a singé le maitre.“ Proudhon.
Als ich das Höschen anzog, fühlte es sich echt an, und ich gab mich dem Gefühl hin. Als hätte ich die Maske abgenommen und sie nicht angezogen. Das Vergnügen und die Erniedrigung und all die Illusionen, das spielte ich in Die Zofen: die Erniedrigung und die Illusionen der dienenden Klasse, die schäbige Grandezza der Oberschicht, die schäbige...