Kämpfe ohne Ende
von Anetta Kahane
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Ein Fuchs hatte ihn gebissen – so begann mir meine Mutter diese eine Geschichte über Nâzım Hikmet zu erzählen. Der Biss war nicht furchtbar schlimm, und doch konnte er den Tod bedeuten. Vierzig Tage, so erzählte sie mir mit leiser Stimme, musste er in den Bergen ausharren. Denn erst dann würde sich zeigen, ob er sich mit einer tödlichen Form der Tollwut angesteckt hatte. Vierzig Tage Einsamkeit und Angst. Vor der Krankheit und davor, von den faschistischen Feinden entdeckt und ermordet zu werden.
Meine Kindheit war voll von Geschichten über Flucht und Tod und Glück. Jenes zweifelhafte Glück, das manche am Ende doch die Nazis überleben ließ. Nâzım Hikmet hat sie überlebt, der wunderbare türkische Dichter, der große Mann mit den hellen Augen, dessen vierzig Tage Angst in Gedichten fortleben würden. Später kam er nach Berlin. Meine Mutter machte ein Buch mit ihm. Ich war ein Kind, und er hob mich hoch hinauf auf seine Schultern. Es war sehr weit oben.
Damals existierte das Maxim Gorki Theater schon eine Weile. Es war das Gegenteil von dem, was es heute ist. Ließ Künstler nur zu, wenn sie in die Enge der Ideologie passten. Geächtete Autoren, Geflüchtete, Verfolgte, dort war damals kein...