Luft für die geschwächte Lunge
von Oliver Frljić
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Eine alte Frage, die man der Kunst im Allgemeinen und dem Theater im Besonderen stellen kann, lautet: Sollen die Verhältnisse repräsentiert werden, oder wird darüber hinaus gedacht, gesprochen, gehandelt, um jene Möglichkeitsräume zu schaffen, die das Bestehende ausschließt? Alles wahre Theater hat das Letztere getan – von Aristophanes’ Lysistrata bis hin zu The Living Theatre.
Das Gorki ist für mich der Raum, in dem diejenigen Zuflucht finden können, die von der unterdrückenden Logik der Welt, in der wir leben, ausgeschlossen werden. Am Gorki findet auch der Lernprozess statt, der uns vor Augen führt, dass Ausgrenzung, Unterdrückung und Diskriminierung immer noch an Orten stattfinden, die von unserer kollektiven und individuellen Empathie nicht gesehen werden – einer Empathie, die allzu oft selektiv und exklusiv ist, bis zu dem Punkt, an dem sie zum verlässlichen Helfer der Unterdrückung selbst wird. Von allen Identitäten, die mir mit Gewalt aufgezwungen wurden, habe ich nur eine wirklich angenommen, nämlich die, ein Flüchtling zu sein und ausgeschlossen zu werden, weil ich die oben genannte Logik nicht akzeptierte.
Trotz aller Türen, die mir vor der Nase zugeschlagen wurden, hat sich die des Gorki geöffnet. In einer Welt, die so radikal Konflikte und starre Identitäten fördert – unter denen...