Mitte Juli 2021. Die Taliban sind in Afghanistan auf dem Vormarsch. Aber noch schaut die Welt ungläubig auf die dortigen Entwicklungen. Wenigstens Kabul, sind viele überzeugt, wird so leicht nicht eingenommen werden können. „Liebe Shegofa“, tippe ich in mein Handy, „wie geht es dir?“ – „Danke der Nachfrage“, antwortet sie. „Ich bin gesund, nur ein bisschen beunruhigt wegen der Taliban. Einige Träume und Pläne werden unter ihnen nicht mehr möglich sein.“
Shegofa* ist eine Schauspielerin der Kabuler Afghan Girls Theater Group, mit der ich seit über einem Jahr in regelmäßigem Austausch stehe. 2016 gegründet, inszenieren die Künstlerinnen zwischen 16 und 23 Jahren gemeinsam mit ihrem Regisseur Naim* selbst geschriebene Stücke, die sich mit der Situation der Frauen in der afghanischen Gesellschaft auseinandersetzen. Jedes Wochenende treffen sie sich in einem Probenraum im Kabuler Westen, um an ihren Inszenierungen zu arbeiten.
„Ja“, schreibt Shegofa, als ich von ihr wissen möchte, ob sie in Kabul bleiben will: Eine Frage, die ich in den letzten Wochen öfter gestellt habe. Und meist war die Antwort die gleiche: Selbst, wenn die Taliban kommen sollten, wären sie nicht mehr so mächtig; man würde sich das, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde, nicht nehmen lassen. Niemand wünschte...