Look Out
Im Ich-Labyrinth
Das Performancekollektiv Shane Drinion durchmisst detailverliebt den Resonanzraum des Persönlichen
Erschienen in: Theater der Zeit: Birgit Minichmayr – Ich bin es und bin es nicht (01/2013)
Shane Drinion arbeitet am langweiligsten Ort der Welt, in einer Finanzbehörde. Der Buchhalter ist nicht vermögend, nicht gutaussehend, nicht erfolgreich, also frei von sämtlichen Insignien des westlichen Statusstrebens. Aber wenn er sich mit Detailliebe in seine Akten versenkt, gerät der Mann in einen buddhistischen Schwebezustand der vollkommenen Glücksseligkeit.
Shane Drinion ist der Held aus David Foster Wallace’ Roman „The Pale King“. Und er ist der Namensstifter eines Performancekollektivs, das sich im Studiengang Schauspiel von Luk Perceval an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg zusammengefunden hat. Mit Wallace’ Figur eint die Gruppe „eine Arbeitsweise, die sehr aufs Detail fokussiert ist“, wie Regisseur Sebastian Lang erklärt. Überhaupt begriffen er und seine Mitstreiter das Theater als Gegenentwurf zum Entertainmentdiktat von Kino und DVD-Serien, als Ort nämlich, „wo man das Vergnügen hat, in Ruhe sehr genau beobachten zu können“.
Shane Drinion arbeitet in wechselnden Konstellationen und besteht derzeit im Kern aus fünf Mitgliedern – neben Lang sind das die Schauspieler/-innen Odine Johne, Michaela Schulz, Leo van Kann und Benjamin-Lew Klon. Sie alle zählten 2008 zum Gründungsjahrgang der Akademie in Baden-Württemberg, wo sie, bedingt durchs unvermeidliche Aufbauchaos, „im guten wie im schlechten Sinn große Freiheit genossen“, wie Lang sagt. Im Grunde waren sie Autodidakten....