5. Realismus
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Kritik des Theaters (04/2013)
»was nun ist realistische kunst, etwa auf dem theater? illusionismus? sensualismus? alles in kolloquialer prosa, mit atmosphäre, undurchschaubar wie das leben selber? so sehr glaubhaft gemacht, daß der eindruck siegt, es sei eben nur so und nicht anders möglich? der mensch immerfort als opfer der verhältnisse, des klimas, des eigentums, der passionen, des gangs der dinge? da ist dann immer die wahrheit ›drinnen‹, nur kann keiner sie herausklauben. realistische kunst ist kunst, welche die realität gegen die ideologien führt und realistisches fühlen, denken und handeln ermöglicht.«
Bertolt Brecht Arbeitsjournal 17. 10. 43
Im Oktober 1963 führte eine Künstlergruppe um Gerhard Richter und Konrad Lueg ein Happening in einem Düsseldorfer Möbelhaus durch. Unter dem Titel »Leben mit Pop – Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus«122 saßen die Künstler schweigend auf weißen Sockeln inmitten der ausgestellten Möbellandschaften des Bundesrepublikanischen Wirtschaftswunders. Der Ablauf der Veranstaltung war minutiös geplant und vereinigte Elemente von Pop und Fluxus. Die Künstler und ihre Kunstwerke, darunter der »offizielle Anzug von Prof. Beuys«, befanden sich im »Wohnzimmer« und bildeten den Anfang eines Rundganges durch die Möbelausstellung, der von Tanzmusik und Zitaten aus dem Verkaufskatalog begleitet wurde. Der »kapitalistische Realismus« stand im Kontrast zum »sozialistischen Realismus«, dem Gerhard Richter...